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Die bekannte und unbekannte Seite von ADC Mitglied Per Kasch

11.06.2020 14:55

Wir machen weiter mit unserer Serie: In einem wöchentlich erscheinenden ADC Newsletter stellt sich jeweils ein ADC Mitglied von einer überraschenden Seite vor, indem sie oder er etwas von sich preisgibt, das den meisten nicht bekannt sein dürfte. Diesmal: Fotograf Per Kasch.

Die bekannte Seite:
Fotograf / Regisseur, geboren in Kiel, ADC Mitglied seit: 2019
 
Die unbekannte Seite:
Gerade in der Adoleszenz angekommen, musste ich schnell feststellen, dass meine neuen Hobbys – heimlich Rauchen und heimlich Bier trinken – einen grösseren Cashflow benötigen würden, als zunächst angenommen. Die Lösung für ein höheres Einkommen, neben dem mehr oder weniger bedingungslosen Grundeinkommen durch die Eltern (Taschengeld), war für alle Jugendlichen im Norden Deutschlands die Gleiche: Werbe-Zeitungen austragen für die lokalen Druckereien. 
 
Da dieser Job aufgrund des Mangels an Alternativen derart begehrt war, stieg man als Rookie im Zettelaustragen zunächst in den schlimmsten Gebieten ein: reiche Einzelhaussiedlungen mit kilometerweiten Auffahrten. Da nicht die Stunde, sondern die Anzahl an verteilten Zetteln vergütet wurden, reduzierte sich der Stundenlohn gerne auf unter 3 Mark in einem schlechten Gebiet. Neidisch schleppte ich wöchentlich meine Zettelstapel an den lukrativen Hochhaussiedlungen vorbei auf dem Weg in meine gutbürgerliche Einzelhaushölle. So konnte es nicht weitergehen – nach tagelangem Austragen hatte ich immer noch nicht genug Geld für meine Hobbys, noch dazu fehlte mir nun auch die Zeit, da ich ja von Auffahrt zu Auffahrt rannte.
 
Ein neuer Job musste her. Ich fand ihn eher zufällig über meine Schwester. Sie hatte gerade das professionelle Cheerleading für sich entdeckt und als ich missmutig von der Familie zu einem Footballspiel mitgeschleppt wurde, entdeckte ich etwas, das meine junge, berufliche Zukunft entscheidend verändern sollte. Ein aus billigen Polyester-Stücken zusammengeklaubtes Vieh, welches ganz entfernt an eine unförmige Möwe erinnerte, schlurfte demotiviert am Spielfeld entlang: BIG AL, der stolze Albatros der Baltic Hurricanes. Das war DIE Lösung, ich bewarb mich direkt am nächsten Tag als Maskottchen-Darsteller… und bekam den Job. Es stellte sich später heraus, dass die Mutter eines Cheerleaders nur froh war, endlich jemand gefunden zu haben, der ihr diese unsägliche Aufgabe ein für alle Mal abnahm. 
 
Die Gage: 50 Mark. Ich konnte mein Glück kaum fassen. 50 Mark pro Stunde! Pro Spiel, nicht pro Stunde verbesserte mich mein neuer Chef. Mir war es egal, denn in völliger Unkenntnis der Regeln des American Football kam das für mich auf das gleiche heraus. Diese Ignoranz gegenüber meines neuen Arbeitsumfeldes wurde bereits am ersten Spieltag bitter bestraft. Ganze fünf Stunden und 45 Minuten musste ich bei sommerlichen 30 Grad in einem engen Polyesterkostüm am Seitenrand des Holstein-Stadions auf- und abrennen, mein Stundenlohn näherte sich derweil beängstigend schnell meinem bisherigen Lohn des Zettelaustragens an. Hätte ich besser auf die Hochhaussiedlung setzen sollen?
 
Die Jahre gingen ins Land und ich überzeugte die Verantwortlichen erfolgreich, dass für eine Ausnahmeperformance wie meine regelmässige Pausen zwingend erforderlich waren. Von nun an lag ich die meiste Zeit kopflos, aber im Polyesterkleid hinter dem Bierstand in der Sonne. An genau dieser Stelle lag ich auch, als ein Marketingverantwortlicher vom THW Kiel zu mir trat und mir erklärte, man wolle mich gerne abwerben. Der THW Kiel, Rekordmeister der Handballbundesliga, wollte sich als erster Verein in Deutschland ein eigenes Maskottchen gönnen, es sollte in Anspielung an ihre schwarzweissen Trikots ein Zebra sein, nur der passende Inhalt fehlte noch. Da es im gesamten norddeutschen Raum keinen anderen Maskottchen-Darsteller gab, fiel der Fokus schnell auf die Polyester-Möwe in der direkten Nachbarschaft.
 
Ich nahm mir vor, knallhart zu verhandeln, denn meine Hobbys waren mittlerweile legal und nicht mehr heimlich und es waren weitere, kostspielige Varianten dazugekommen. 100 Mark pro Spiel, eigene Autogrammkarten, einen eigenen VIP Parkplatz vor der Halle und endlich eine eigene Umkleidekabine (bei den Footballern musste ich mich hinter dem Bierwagen umziehen) sollten es schon sein! Der Marketing-Verantwortliche vom THW Kiel schlug direkt ein – er hatte anscheinend trotz der Erscheinung mit härteren Gehaltsforderungen der unförmigen Möwe gerechnet.
 
Ich hatte es geschafft! Raus aus der Polyester-Möwe, rein ins professionelle Zebrakostüm, dazu feste Spielzeiten in einer klimatisierten Halle – mehr war nicht möglich, ich war über Nacht in der Königsklasse angekommen. 
 
Am 26. August 1998 wurde ich das erste offizielle Maskottchen in der Handball Bundesliga.
 
Per