Der Text
Einmal im Jahr messen sich Rapperinnen und Rapper aus der Schweiz am Bounce Cypher mit exklusiv geschriebenen Texten – sozusagen sind das lauter Weltpremieren. Ich habe dafür den Song «Entitlement» geschrieben. Viele gehen an den Grossevent, um zu sagen, wer sie sind. So auch ich.
Der Feminismus
Ihr bruuchäd räpper wiä mich Wo nöd stalked groomed raped wiä du (s minimum) Ja ich mein sexualisiärti übergrif Nei nöd all nöd nur aber uuh vil vo dä dudes (infimum) Dadebii isch nöd din penis s indiz Nur s gwaltvollä mannäbild vo dir und dinrä crew (delirium).
Der Anfang von «Entitlement» zieht den Hörer gleich rein und führt ihn doch ein bisschen auf ein falsche Fährte. Der Song handelt davon, wie mit sexualisierter Gewalt umgegangen wird. Es ist sehr wichtig, die Thematik anzusprechen und zwar öffentlich. Das passiert viel zu selten, denn einerseits ist es rechtlich heikel und anderseits muss die betroffene Person eine Hemmschwelle überwinden. Wird ihr geglaubt? Wird der Vorfall bagatellisiert? Wie gehen wir damit um, wenn Täter, Opfer, Tat nicht «perfekt», wie aus dem Lehrbuch, sind.
Das Sprachrohr
«Entitlement» bedeutet Anspruch oder Berechtigung. Ich nehme mir das Recht heraus, ein Sprachrohr zu sein, mit vielen anderen weiblichen MCs. Bei diesem Thema einen Diskurs am Laufen zu halten, ist notwendig. Denn bereits die Frage «Wo beginnt eine Übergriffigkeit für die jeweilige Person?» ist sehr individuell. Die Betroffenen sollten gehört und es sollte ihnen geglaubt werden.
Das Gefecht
Der Battle-Rap ist der richtige Ort, um feministische Themen zu platzieren, weil dort hauptsächlich männliche Akteure am Werk sind. Die Quote wird langsam besser, ist aber immer noch erschreckend. Schon früher gab es viele Diskussionen darüber, was an einem Battle gesagt werden darf oder nicht. Ich bin grundsätzlich gegen Zensur, aber zumindest muss sexistischen Aussagen widersprochen und etwas gegenübergestellt werden.
Das Frauenbild
Unser Genre trieft vor Sexismus. Selbstverständlich muss man unterscheiden, ob einer sexistische Sachen rappt oder ein Täter ist. Aber jede Person, die Sexismus portiert, bietet in einer Weise eine Legitimation. Der weibliche Körper muss für alles mögliche herhalten, vor allem im Battle-Rap, wo zwei MCs metaphorisch in die Schlacht ziehen. Da gehört natürlich auch die Schwester, die Mutter, die Frau, die Freundin dazu. Ob als Heilige oder Hure, sie wird benutzt.
Die Geschlechterfrage
Warum machen so viele Jungs Rap und so wenig Frauen? Es könnte daran liegen, dass sich junge Männer weniger hinterfragen. Sie schauen nicht so genau hin und wenn, dann sind sie weniger kritisch mit sich.
Das Tabu
Genauso wie ich nicht von Frauen hassenden Texten umgeben sein möchte, will ich auch nicht Texte produzieren, von denen sich irgendeine Minderheit bedroht fühlt. Das zu schaffen, wäre mir ein Anliegen.
Die Sprache
Die Sprache bietet unzählige Möglichkeiten und birgt genauso viele Schwierigkeiten. Sie gibt vor, exakt zu sein, ist es aber nicht. Für mich ist sie das Mittel, mit dem ich mich im Zusammenspiel mit Musik ausdrücke.
Der Reim
Rap braucht viele Worte, denn das verbale Füllmaterial gibt den rhythmischen Spielraum. Der Reim macht das Auswendiglernen leichter. Manchmal zwingt er einen auf Umwege, weil man ausholen muss, um dorthin zu gelangen, wo man hinwill. Das kann nervig sein, aber auch schön, weil ich den passenden Reim zunächst nicht finde und durch das Suchen weiterkomme.
Der Werbereim
Eine Zeit lang habe ich mir gedacht: Wenn das mit dem Rappen nicht klappt, dann gehe ich zu einer Werbeagentur und haue dort Punchlines raus. Denn eigentlich machen wir Rapperinnen das: Verdichtung, Provokation, Zweileiner definieren unser Genre. Reime lösen im Menschen etwas Beruhigendes aus, beispielsweise Kinderreime. In der Werbung bleiben Reime kindlich, weil sie im Gegensatz zu einem Song nicht mit mehr Text umgeben sind. Ich hingegen kann mich dieses Stilmittels bedienen und mit Raptexten Grenzen überschreiten.
Der Preis
Vor 20 Jahren habe ich meinen ersten Preis bekommen: Das Werkjahr der Stadt Zürich war mit 40 000 Franken dotiert – sehr viel Geld für mich als junge Künstlerin. Vorher wurde ich belächelt, denn mein Umfeld hatte gar nicht daran geglaubt, dass Rappen auch ein Beruf sein kann. Meine Arbeit wurde ein Stück weit valide durch Preise. Dennoch ist es traurig, dass es diese Bestätigung überhaupt braucht.
Die Präsentation
Das Performen auf der Bühne ist eine Kunst für sich und macht anders Spass. Mit meinem neuen Album B.I.G. gehe ich im Sommer auf Tour.
BIG ZIS (aka Franziska Schläpfer) zählt zu den erfolgreichsten Rapperinnen der Schweiz. Im Sommer 2024 erscheint ihr neues Album B.I.G. (Bitte. In. Gross.)
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