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Das Brand Building

Frank Bodin

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Frank Bodin

Ich wurde gebeten, hier etwas zum Thema Brand Building am Beispiel Inside Paradeplatz zu schreiben. Für diejenigen, die Inside Paradeplatz nicht kennen: Das ist die Zürcher Finanznews-Plattform, die nach dem David-Prinzip funktioniert. David ist der Wirtschaftsjournalist Lukas Hässig, der seit 2011 täglich mit seiner Steinschleuder (manchmal auch mit einer Dreckschleuder) die Goliaths des Schweizer Finanzplatzes bewirft; zum Ergötzen vieler kleiner Handlanger, zum Ärger weniger grosser Lenker einer eher verschwiegenen und undurchsichtigen Branche. Das kann man gut finden oder kann einen hässig machen (Nomen est omen) – so oder so ist Inside Paradeplatz zu einer starken, nicht mehr wegzudenkenden Marke geworden.


Wie konnte das ein Einmannunternehmen ohne Art Directors und ohne Texter schaffen? – Eine starke Marke zu kreieren, bedeutet nicht ein einprägsames Logo oder einen eingängigen Slogan zu entwickeln, sondern entspringt vielmehr aus einem echten Purpose und der Verzahnung von Ideen auf unterschiedlichsten Ebenen. Inside Paradeplatz zeigt dies exemplarisch:


Die Purpose-Idee: Die Überzeugung, dass die Vorgänge in Finanzunternehmen keine Privatangelegenheit sind (z.B. Boni-Exzesse, Fehlentscheide, Machtspiele usw.), weil sie die Stabilität und den gesellschaftlichen Kitt der Schweiz gefährden können.


Die Positionierungsidee: Über Geld spricht man = Veröffentlichung von Interna des Schweizer Finanzplatzes


Die Geschäftsidee: Leser-Abos plus Display-Werbung = Einnahmen; Einmannredaktion mit Kollaborationen = tiefe Kosten


Die Community-Idee: Angestellte und Manager von Banken, unabhängige Vermögensverwalter = zahlungskräftige Leserschaft


Die Distributionsidee: Digitale Plattform, Newsletter, Social Media


Die Markenidee: Inside (= Insider-Wissen) Paradeplatz (= Im Herzen des Schweizer Finanzplatzes)


Die Designidee: Kein Design, sondern wie der Content authentisch und selbst gemacht


Die Marketingidee: Klatsch & Tratsch = Mundpropaganda


Die Werbeidee: Snippets auf sozialen Medien = The medium is the message


Dieser Strategie ist die Marke Inside Paradeplatz seit ihrer Gründung treu geblieben (Kontinuität schlägt oftmals Kreativität). Inzwischen ist Lukas Hässig längst auch ein David für die etablierten Wirtschaftsmedien: Pro Monat erreicht er über eine halbe Million Leser (Unique Visitors) und über 3 Millionen Seitenaufrufe (Page Impressions) – das ist beachtlich mehr als so manche Wirtschaftspublikation mit zig Mitarbeitenden. Statt eine teure Investigativ-Unit zu unterhalten, schenkt Inside Paradeplatz seiner Leserschaft sein Ohr: Zig Informantinnen und Informanten liefern die Gerüchte, aus denen dann in Hässigs Küche überraschende Primeurs entstehen. Unter anderem deckte er 2013 die Entschädigung für Daniel Vasellas Abtritt als Novartis-Verwaltungsratspräsident auf; als Folge der öffentlichen Empörung gingen Vasella daraufhin 72 Millionen Franken flöten.


2018 wurde der viel getadelte Lukas Hässig zum Journalisten des Jahres geadelt. Das hat die Credit Suisse allerdings nicht davon abgehalten, als eine ihrer letzten Amtshandlungen das Einmannmedium mit einer Klage existenziell zu bedrohen. Die Marke Credit Suisse gibt es inzwischen nicht mehr, aber Inside Paradeplatz nach wie vor. Weil die Verantwortlichen der Credit Suisse vergessen hatten, wozu Brand Building überhaupt dient: Das Nonplusultra einer Marke ist das Vertrauen ihrer Klientel.

FRANK BODIN ist Gründer und CEO von bodin.consulting, einer weltweit tätigen Agentur für Branding und Kommunikation mit digitaler Intelligenz.

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