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Der Mann mit den Furzideen

Wenn ein Unternehmer sich ins Rampenlicht stellt, kann das einen Hype um seine Marke befeuern. Ist das gut?

Thomas Wildberger

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Elon Musk ist einer der wenigen Unternehmer mit einer Fangemeinde. Steve Jobs war auch so einer. Und Donald Trump. Aber dazu später. Bis vor Kurzem gewann Musk täglich 130'000 Follower auf seinen Social-Media-Kanälen hinzu. Der Mann ist Kult, seine Firma Tesla und ihre Autos sind das auch. Diesen Status erreichte er mit dem Erfolgsrezept eines Kreativen: Er brennt für seinen Job, ist Visionär, strebt nach dem Neuen, dem Einzigartigen, hat Ideen, die er zu verwirklichen vermag. Vor allem aber hat er die Fähigkeit, sich in die Lage des Kunden zu versetzen und «client centric» zu denken. So hat er akribisch, voller Ehrgeiz – und voller Genialität – Produkte hergestellt, die alle bestehenden in dem Bereich überholt haben, um dann nachgeahmt zu werden. Das konnte nur gelingen, weil Musk sich als CEO vollumfänglich mit Tesla identifizierte. Doch auch umgekehrt werden seine E-Autos mit ihm assoziiert.


Wenn ein Unternehmer sich ins Rampenlicht stellt, kann das einen Hype um seine Marke befeuern. Ist das gut?


Der sogenannte Elon-Musk-Effekt beruhte darauf, dass sich der Unternehmer gleich als grösster Cheerleader seines eigenen Brands gewinnbringend vermarktet hat. Er ist Teslas wichtigster Botschafter und ermöglichte es dem Unternehmen, eine Multi-Milliarden-Dollar-Bewertung ohne ein traditionelles Werbebudget aufzubauen. Zudem hat er dank Rockstarattitüde, viraler Tweets oder geäusserter Spinnereien Tesla zum meistdiskutierten Autobauer der Welt gemacht. Nun kippt die Diskussion ins Negative, denn Musks unberechenbares Verhalten schadet mittlerweile der Glaubwürdigkeit der Firma. In der Werbebranche hat jeder noch so verrückte Kreative einen seriösen Berater, der ihn wieder einfängt. Bei Musk wäre solch ein Bodyguard dringend zu wünschen, denn anstatt bahnbrechender Technik und anderer Fortschritte stehen die fragwürdigen (Führungs-)Qualitäten und Eskapaden des Manns an der Spitze im Fokus. In einem Markt, der mit KPIs möglichst exakt vorhergesehen werden will, sind die Stakeholder zunehmend frustriert.


Folgerung: Dass die einstige Überbewertung sich jetzt normalisiert und der «Welpenschutz» des Neueinsteigers in die Autobranche vorbei ist, war abzusehen.


In guten wie in schlechten Tagen


Wenn das Produkt das hält, was es verspricht, wäre alles drumherum nicht so schlimm. Tesla hat sich den Ruf eines zielstrebigen Players verdient. Das Kundenerlebnis war einsame Klasse vom One-Click-Kauf bzw. Easy-Leasing bis zum Reifenwechselservice. Die Typenbezeichnung S, 3, X, Y ist echt sexy und genau solch ein Auswuchs der Kreativität wie Santa Claus, der auf dem Display im Advent einen Rentierschlitten steuert. Wer so weit vorausschaut, selbstfahrende Wagen zu ersinnen, dem lässt man auch ein in die Software programmiertes Furzkissen durchgehen. Letzteres ist übrigens eine Kundenbindungsmassnahme par excellence, richtet sich der Schabernack doch an die Kinder, die hinten sitzen, in zehn Jahren die Fahrprüfung machen und dann selbst einen Tesla kaufen.


All das sind direkte Wegweiser in die Zukunft, denen massenhaft Menschen folgen wollten. Musk hat Mobilität völlig anders gedacht und damit nicht nur eine Branche disruptiert, sondern gleich eine neue ins Leben gerufen: Tesla hat sich als Technologiekonzern positioniert, der zufällig auch Autos verkauft. Dieses Hybrid war revolutionär, und die E-Autos waren es ebenso wie das Direct-to-Consumer-Modell, welches Tesla die Kontrolle über das Einzelhandelserlebnis gab und en passant die Margen steigerte.


Dass der Aufstieg raketenhaft schnell ging, schlug sich in einer unsoliden Kundentreue nieder. Tesla ist es nicht gelungen, eine echte Bindung zu schaffen. Der Love Brand hätte wie in einer Liebesbeziehung mehr Zeit investieren sollen, bis er aufs Ganze geht, und man hätte sich besser mit Bedacht gegenseitig kennengelernt. Dabei hätte Musk erkannt, dass seine Kundschaft das Exklusive schätzt. Seine aggressiven Preissenkungen zur Aufrechterhaltung des Absatzes untergraben die Premium-Anziehungskraft.


Folgerung: Tesla hat viele Jahre vieles richtig gemacht und die Konkurrenz gleichzeitig alles falsch. Nun wendet sich das Blatt, und vor allem die deutschen Premium-Mitbewerber lassen auch die Herzen der E-Käuferschaft schneller schlagen. Im Februar nahmen die Tesla Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahr in Deutschland um 76 Prozent, in Österreich um 70 Prozent und in der Schweiz um 67 Prozent ab.


Oh my Musk


Musk will vergöttert werden für das, was er tut. Als Unternehmer kann er sich (innerhalb der rechtlichen Grenzen) so verhalten, wie er will. Allein die Stakeholder von Tesla können dem exzentrischen Gebaren einen Riegel vorschieben, wenn es die Firmenleistung negativ zu beeinträchtigen droht. Das haben Musks Auftritte in den letzten Wochen gezeigt – und tagtäglich kommen neue dazu. Während dieser Artikel geschrieben wird, könnte es sein, dass Musk Rollstuhlfahrer beleidigt oder blonde Beifahrerinnen plötzlich bevorzugt behandelt werden. Sein Schritt in die Politik zeugt von seinem Machthunger, denn eigentlich sind Politiker ja Volksvertreter. Doch bei ihm gewinnt der Beobachtende den Eindruck, es gehe ihm um seine Interessen und die seines Kumpels Donald Trump. Schon vor Musk gab es eine Bewegung der Businessleute, die wegen ihrer wirtschaftlichen Grösse auch politisch relevant wurden und Beweggründe dafür hatten, die Weichen in ihrem Land mitzustellen. Doch sie alle gaben ihre Aufgabe in ihrem Unternehmen ab und zogen sich auf strategische Funktionen (Verwaltungsrat) zurück. Davor hatten sie selbstverständlich dafür gesorgt, dass die Geschäftsführung in ihrem Sinne in den besten Händen war. Das hat Musk versäumt. Er glaubt mit grosser Selbstüberschätzung, alles jonglieren zu können. Sein Amt verkommt zu einer Egoshow. Tesla leidet darunter und benötigt jetzt eine Distanzierung von Musk. Denn das Lenken eines Unternehmens braucht mehr Zeit, als ein 14. Kind zu zeugen.


Wenn BYD die Neuheit vorstellt, in fünf Minuten vollladen zu können, ist das eine absehbare und banale Erfindung. Von Tesla hingegen werden Ideen eingefordert, die nicht vorhersehbar sind. BMW zum Beispiel hat nach einem Fuhrpark an Fail-Modellen nun echte E-Giganten am Start.


Folgerung: Damit Tesla weiter vorne mitmischt, sollte ein Führungsteam aus einer Kombination von Technologie- und Automobil-Fachleuten die Leitung übernehmen und sich mit voller Kraft der Weiterentwicklung widmen, sodass sich die einstige Personality-Marke zu einem zwar entglorifizierten, aber beständigen Branchenleader mausert. So wie die Schokoladenliebhaber abstrahieren zwischen den Produkten von Läderach und dem einstigen Patron Jürg Läderach, hat der persönliche Skandal der Marke zwar geschadet. Doch sein Sohn und CEO des Unternehmens Johannes Läderach konnte dafür sorgen, dass man keine weitere Reputation einbüsste und mit Qualität – und Distanz zum Senior – punktet. Bei Tesla ist der Nimbus des Genies noch nicht ganz zerstört, auch wenn der Wahnsinn auf den Aktienkurs drückt.


Daten und Macht


Wer einmal einen Tesla besessen hat, und in den Genuss der Über-Nacht-Updates gekommen ist, weiss es zu schätzen, wenn ihn am Morgen eine neue Funktion auf dem Bildschirm anlächelt. Doch was, wenn der Unternehmer wie in einem bösen Traum ein Software-Update plötzlich so programmiert, dass man anderntags nur noch rechts abbiegen kann? So weit würde Musk nicht gehen. Oder doch? Immerhin hat er 80 Millionen Deutschen die AfD zur Wahl empfohlen. Nach allem, was er bisher gebracht hat, scheint nichts mehr abwegig. Durchaus vorstellbar ist, dass die Daten, die ein Tesla zusammenträgt – auf 100 Metern mit 50 Stundenkilometern sammeln sich 10 Megabyte an – für das Generieren und Zementieren von Macht dienen: Welchen Sender höre ich? Wie hoch ist die Durchschnittstemperatur? Fahre ich alkoholisiert? Bei Rot über die Ampel? In welcher Umgebung treibe ich mich rum, und was zeichnen die Kameras auf?


Folgerung: Noch passiert kein offener Musk-Missbrauch mit all den Daten, aber irgendwann könnte es doch sein, dass Tesla nur mehr stromlinienförmige Kunden möchte, die zur Philosophie passen.


Kein Gewinn ohne Verlust


Mittelfristig könnte die Marke aber in der Spur bleiben, wenn auch viel von der Aura – die einerseits der Genialität von Elon Musk und andererseits der Exklusivität der E-Fahrzeuge zuzuschreiben war – verblasst. Die Milliarden-Mehreinnahmen durch Emissionshandel mit anderen Autoherstellern könnten stabilisierend wirken. Und als gereiftes Unternehmen kann sich Tesla mit agilen Konkurrenten ein Überholmanöver nach dem anderen liefern. Gut für die Kunden und gut für den Planeten. Elon Musk scheint zu wissen, dass er den Vorsprung mit Tesla nicht ewig halten kann. Darum sucht er sich lieber neue Betätigungsfelder, ob im Weltraum oder im Netz, denn sein tatsächlicher Antrieb lautet, es allen zu zeigen, obwohl er belächelt wird.


Was die Zukunft bringt, da sind sich die beiden Propheten noch nicht einig geworden:


Folgerung von Thomas Wildberger: Falls er sich an seinem vermuteten Vorbild Leonardo da Vinci orientiert, der unter anderem verschiedene Fluggeräte, den Fallschirm, einen Panzer, eine Dampfkanone, ein Automobil, Wasserläufer, ein U-Boot, einen Taucheranzug und mechanische Roboter erfand, können wir uns auf weitere Inspiration und Disruption gefasst machen. Oder vielleicht sogar freuen.


Folgerung von Tosson El Noshokaty: Tesla war einst unangefochtener Marktführer in seiner Branche, nun steuert er auf den Niedergang zu. So wie die bekannten Beispiele des Fotoriesen Kodak, Mobiltelefonanbieters Blackberry oder Videothekenimperiums Blockbuster. Wie sich auch kein Mensch mehr auf der Internetplattform Yahoo rumtreibt, könnte auch Tesla von den Strassen verschwinden. Die Vorstellung mag erschrecken, aber der Shootingstar droht abzustürzen.



Thomas Wildberger ist ADC-Präsident und Partner der internationalen Beratungsagentur Prophet. Er war Kreativchef und CEO von Publicis und Werber des Jahres.


Dieser Blog entstand in Zusammenarbeit mit Tosson El Noshokaty, ebenfalls Partner von Prophet.

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