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Die Frau

Einst widmete John Lennon seiner Partnerin Yoko Ono mit dem Lied „Woman“ eine musikalische Ode, die symbolisch für alle Frauen steht. Sandra Smolcic stellt sich die Frage: Ono oder Oh no?

Sandra Smolcic, Co-Leiterin Musée Visionnaire

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Bild: FACEBOOK/YOKO ONO; MATTHEW PLACEK

«Existential nonsense. Not impressed“. Warum sollte er durch zwei Gucklöcher in einer Leinwand den Himmel betrachten, mit einem leeren Kinderwagen durch die Stadt spazieren oder ein Loch im Garten graben, um tropfende Wolken darin aufzufangen? Der Journalist des Daily Mirror schüttelt den Kopf, als er in einer Dokumentation über Yoko Ono durch ihr Buch *Grapefruit* blättert, ein Sammelband mit Instruktionen, die anstelle eines physischen Kunstwerks stehen.


Oh no statt Ono. Damals wie heute scheiden sich die Geister an der inzwischen 91-Jährigen, feiern oder verspotten sie. „Frankly, she gives me a pain“ schreibt ein Reporter im Frühjahr 1969. Sie wurde als „bossy girl“ bezeichnet und „the woman who changed his life“ – das von Lennon. Letztere Schlagzeile ist fast schon nett, wenn man bedenkt, dass die Künstlerin von den Medien für die Trennung der Beatles verantwortlich gemacht wurde. Vielleicht noch immer wird. Wie hätte ihr Leben ausgesehen, wenn sie und John Lennon sich nicht bei einer Ausstellung von ihr begegnet wären? Wenn sie sich im Studio nicht auf den Boden hinter Lennons Klavier gehockt und irgendwann selbst zum Mikrophon gegriffen hätte. Wenn sie die Weltpresse nicht in ihr Schlafzimmer in Amsterdam eingeladen und dem Frieden keine Chance gegeben hätte? Wenn sie es den Frauen an der Seite anderer berühmter Männer gleichgetan hätte: nämlich möglichst unsichtbar zu bleiben, den Blitzlichtern der Kameras aus dem Weg zu gehen.


Vielleicht hätte die Konzeptkünstlerin nicht bis 2015 warten müssen, bis ihr das New Yorker MoMa eine Retrospektive widmet. Vielleicht hätten die Medien, Kunstkritiker*innen und alle, die meinten, sich eine Meinung über sie bilden zu können, hätten sie nicht jahrzehntelang als «Frau von» gesehen, sondern auf die wenig adelnde Präposition verzichtet und sie als die erkannt, die sie ist: eine Frau, eine Künstlerin. Jahre vor Marina Abramović hatte sie den Körper zum Austragungsort von Machtspielen gemacht. In ihrem Cut Piece, bei dem die Betrachtenden aufgefordert werden, mit der Schere Stücke aus ihrer Kleidung zu schneiden, liefert sie sich völlig aus. Auf das Entblößen folgt die Bloßstellung, die Degradierung zum (sexualisierten) Objekt. Noch heute lassen die Videoaufnahmen davon erschaudern. Zeitlos sind auch ihre absurd-poetischen Gedankenexperimente, welche von der Interaktion mit dem Gegenüber leben, das die Leerstellen in ihren Werken füllen soll.


Yoko Ono war ihrer Zeit voraus – was jedoch nur die wenigsten erkannt haben oder erkennen wollten. Und selbst wenn. Da war immer noch die Beziehung zu John Lennon, die alles überdeckte. Die einen sahen in ihr den Keil zwischen dem Musiker und den Beatles und ignorierten sie als Künstlerin; die anderen lehnten ihre Kunst gerade wegen der Verbindung zum Popstar ab. Der Fame und dazu diese heal-the-world-Rhetorik – das kann ja nichts Rechtes sein. Dabei spielt der Parameter John Lennon kaum eine Rolle für Yoko Onos Werk. Auch wenn er sie beeinflusst haben mag, auch wenn sie durch seine Bekanntheit selbst noch bekannter wurde, geht es in ihrer Kunst primär doch immer um uns, die Betrachter*innen. «What I try to do is to present an unfinished situation and people can finish it themselves in their own mind». Yoko Ono überlässt es uns, den Fans und den Haters, ihre Kunst zu zerpflücken und sie wie die zerbrochene Keramik in ihrem «Mend Piece» neu zusammenzusetzen. Vielleicht gilt das gleiche auch für sie selbst: Sollen die Leute über sie denken, was sie wollen. Am Ende ist ohnehin alles Imagination. Ono? Oh yes!

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