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Fertig lustig?

19.12.2023 15:02

Frohe Weihnachten und ein fröhliches neues Jahr von ADC Präsident Thomas Wildberger. 

Der wichtigste Indikator für gelungene Werbung ist Spass. Diese Aussage meine ich todernst und das in zweierlei Hinsicht. Erstens als Kreativer. Was haben wir doch für ein Glück, einen Beruf ausüben zu dürfen, bei dem wir uns streng genommen den lieben langen Tag irgendwelchen «Quatsch» ausdenken dürfen, von dem dann im Idealfall etwa 10 Prozent als genialer Output übrigbleibt. Zweitens aus Sicht der Zielgruppe, indem wir sie zum Lachen bringen. Warum ist Spass so wichtig und wie lässt er sich bewerkstelligen? 

Jean Remy von Matt hat mir einmal erzählt: In seiner ersten Anstellung als Juniortexter in einer Berner Agentur (ich weiss welche, sag’s aber nicht) hat ihm der Agenturchef irgendwann nach zwei mühseligen Jahren ein Reimlexikon geschenkt in der Hoffnung, es würde ihn beflügeln und besser machen. Da wusste er, jetzt ist es Zeit, die Agentur – und mit ihr gleich die Schweiz – zu verlassen. Zwar hatten Reime (ebenso wie gesungene Slogans) über eine gewisse Ära hinweg durchaus ihre Daseinsberechtigung. Doch für das, was in den 80ern manchmal gang und gäbe war – «Mars macht mobil bei Arbeit, Sport und Spiel», «Bei mir wirkt 8x4» oder selbst der Leisi-Quick-Rap –, hiess es bei GGK und anderen damaligen Top-Agenturen alsbald Ende Gelände. 

Was uns wieder einmal bewusst macht, wie schnell wir Kommunikationskreativen mit der Sprache umgehen und uns immer neue Spielarten ausdenken. Ein Stilmittel hingegen, auf das sich zuverlässig und zeitlos zurückgreifen lässt, ist Humor. Spass bei der Sache erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass etwas entsteht, was auch anderen Spass macht. Wenn die Leute lachen, ist das bereits mehr als die halbe Miete dafür, dass die Botschaft ankommt. Klar, es gibt Themen, bei denen eine Kampagne nicht lustig sein kann, beispielsweise Menschenrechte, Katastrophenhilfe, Klimaschutz. Doch es spricht nichts gegen Freude bei der Umsetzung. 

Witz mit Bits

Vielleicht erzählt man sich beim Nachdenken über eine Werbeidee auch den einen oder andern Witz. Übrigens: Was sagt ein Computer-Nerd in einer Bar? «Bitte ein Bit.» Jedenfalls kann ich mich erinnern, dass noch jedes Mal, wenn eine gute Idee geboren wurde, man ziemlichen Spass beim Machen hatte. Diese berühmte Angst vor dem weissen Blatt Papier war für mich von jeher unbegründet, weil das sichere Mittel, dass sich das Blatt mit Wörtern füllt, die voll auf die Zwölf treffen, das richtige Umfeld ist. Richtig sind in dem Fall Ausdenkpartner, mit denen es lustig wird. Dazu gehörten stets auch Momente des Frusts, weil man keinen Einfall hatte, der einen spüren liess: Das ist es. Also hat man bis dorthin über dies und das geredet und diverse Umwege eingeschlagen. Sehr bereichernd und unbedingt weiterzuempfehlen. Denn manches, was vielleicht nicht unmittelbar zur akuten Problemlösung beiträgt, wird irgendwann später quasi zweitverwertet. Das Hirn speichert jegliches Geplänkel und es entsteht ein bunter Fundus, aus dem man bei Bedarf nahezu automatisch bedient wird. Deswegen sehe ich das gemeinsame Ausdenken wie ein Trainingslager, Schweiss und Tränen inklusive. Für all jene, die glauben, Alkohol könne den Prozess beschleunigen, denn unter Einfluss von Wein, Bier, Schnaps und Co. habe man die lustigsten Ideen, kommt am nächsten Morgen mit dem Kater die Ernüchterung über die Erkenntnis, das war wohl nix. 

Von Kolleg:innen und Kund:innen, die ihre Aufgabe sehr ernst nehmen, habe ich schon oft das Argument gehört, mit dem Humor sei das – gerade bei internationalen Kampagnen – eine schwierige Sache, denn jede und jeder findet etwas anderes amüsant. Da muss ich aber sagen: Ist doch egal, denn jede und jeder findet ja auch etwas anderes schlecht. Unsere Kunst besteht zudem darin, den Humor zu treffen, den möglichst viele Menschen aus der Zielgruppe teilen. Die unterschiedlichen Geschmäcker sind also keine Entschuldigung, denn über «It’s lonely at the top, but at least, there is something to read» für The Economist, muss ja auch jede und jeder schmunzeln. Ausloten konnte man den Massengeschmack früher noch direkter als über Analysen und KPIs, nämlich im Kino, wo das Beste die ultimative Reaktion des Publikums auf die Spots vor der Filmvorführung war. Da hatte unsereins gleich die Bestätigung, dass die Idee ankommt und das Produkt Gefallen findet. Gibt’s eigentlich noch das Kino-Dia?

Alles andere als Hedonismus

Apropos Parameter: Wer glaubt, Spass im Job sei hedonistisch und kein messbarer Wert oder ein Hinweis auf Erfolg, der wird erkennen, selbst wenn am Ende alle eine Idee verstanden haben, ohne dass die eine Gefühlsregung hervorruft, ist das Ganze weniger effektiv. Trägt sie jedoch zur Erheiterung des Konsumierenden bei, spart man damit einiges an Geld für den Kunden, weil der nicht in jedem Kanal präsent sein muss. Nur Humor schafft es, solch eine Aufmerksamkeit zu erzeugen, die sofort wirkt und nachhallt. 

Sixt hat das schon seit Anbeginn verstanden, weshalb sich im Werbeportfolio des deutschen Autovermieters laufend Sujets finden, die nur ein einziges Mal geschaltet wurden, dafür aber richtig Freude machen. Kürzlich veralberte Sixt die «Letzte Generation» an Klimaaktivisten mit der Headline: «Klebt auf der Strasse. Und niemanden stört’s.» für den vollelektrischen BMW iX. Mit einem charmanten Augenzwinkern erwähnen möchte ich, dass die Plaisirvorgaben von Canal + aus Paris in die Schweiz übergeschwappt sind und uns angesteckt haben. Chapeau. 

Als unangefochtener Gaudiumsspitzenreiter ist mir bis heute die legendäre «Whassup?»-Kampagne von Budweiser als Narbe im Zwerchfell geblieben. Weder davor noch danach habe ich über Werbung so gelacht. Wer die Entstehungsgeschichte des Spots kennt, kann nachvollziehen, dass er nur so entstehen konnte: Sämtliche Protagonisten waren an der Idee beteiligt. Die Freundes-Clique hat sich selbstironisch beim Kommunizieren beobachtet, ein Amateurfilmchen gedreht und auf gut Glück an Budweiser geschickt. Dieser Kunde hat Humor in seiner DNA, der Entscheidende ein optimal justiertes Sensorium dafür und sein Bauchgefühl in dem Moment über alle anderen Unternehmensvorgaben gestellt, da er gemerkt hat: Es wäre unverzeihlich, so gute Unterhaltung einer breiten Masse vorzuenthalten. 

Da fällt mir ein TV-Spot von Perskindol ein, bei dem sogar mein Vater, der bei Werbung eigentlich aus Prinzip aufs Klo geht, herzhaft lachen musste. Ein Mann springt bei seiner Fallschirmsprung-Lektion leider ohne Fallschirm aus dem Flugzeug. Der Instruktor, der vom Flieger aus zuschaut, wirft ihm geistesgegenwärtig Perskindol Cool gegen Verstauchungen und Prellungen hinterher. Das war 2003. Also vor Urzeiten. Aus irgendeinem Grund sind sie bei Perskindol vom heiteren Weg abgekommen. Und leider sind jegliche Versuche gescheitert, den Humor in diese Marke, die dafür hochgradig geeignet wäre, zurückzubekommen. Ich höchstpersönlich durfte es versuchen – und mir blutet bis heute das Herz, wie eine witzige Idee aufs Schönste zerredet werden konnte. Offenbar wirkt Schmerzmittelwerbung ausreichend auf den gleichen mentalen Ebenen wie jene für Waschmittel. John Hegarty konfrontierte auf der Bühne bei den Cannes-Lions bereits in den 90er-Jahren den Procter und Gamble CEO damit: Der Multikonzern sei das beste Beispiel, dass schlechte Werbung funktioniert. Wenn auch wahrscheinlich nur mit Penetration, der gleichen Strategie, die Ferrero fährt, indem sie pro Werbeblock gleich mehrere Spots für unterschiedliche Produkte schalten, in der Hoffnung: «Ob Mon chérie oder Küsschen, irgendwas wird der Zuschauende schon kaufen». 

Selbst hier habe ich es schon mit Humor probiert, was mit meiner damaligen Agentur tatsächlich gelungen ist: Die Extremkletter-Brüder Huber Buam haben sich aus ihrem Chalet ausgesperrt. Kein Problem, denn sie erklimmen den Gipfel des Genusses, nämlich eine Milchschnitte, über das Balkongeländer und den Einstieg durchs Küchenfenster. Der Spot lief ganze zwei Jahre erfolgreich, indem er mit 160 000 Milchschnitten pro Tag den Konsumationsabsturz aufgehalten hat. Und doch hat sich der Konzern am Ende wieder entschieden, dass mit Süssigkeiten-Werbung nicht zu spassen sei. Verstehen muss das keiner. 

Tesla fährt vor 

Aufgrund von Purpose und Nachhaltigkeit, den weltweiten Krisen und Richtigem und Wichtigem scheint der Humor ins Hintertreffen zu geraten. Es gibt sehr viel Werbung, die wahrhaft intelligent und schlau ist. Aber schallend lachen und anderen davon erzählen, das hat mittlerweile Seltenheitswert. Gewitzt zu sein, wäre eigentlich gut. Keine Schenkelklopfer, sondern einfallsreicher Schalk, der zielführend ist. Kein Lachen um des Lachens Willen. Wir müssen ja ein Produkt damit verkaufen. Sonst können wir gleich Comedians werden. Ein solcher würde ihnen den Witz mit dem Computer-Nerd in der Bar jetzt nochmals auftischen. Ich tue das hier natürlich nicht, weil Sie von sich aus merken: Die Pointe wird dadurch nicht besser. 

Die Conclusio: Humor lässt sich nicht planen oder gar Copy-and-paste wiederholen. Aber sich beim Ideen-Machen zu amüsieren, ist ein fast sicheres Indiz für eine gelungene Kommunikation der zu bewerbenden Sache. Tesla ist auch hier Vorfahrer mit seinem Jingle All The Way Button, durch den sich das Auto auf dem Display in einen Rentierschlitten verwandelt und der Fahrer zum Weihnachtsmann wird. Zumindest verzaubert diese Nettigkeit einen, ob am Steuer oder im Fond, in bessere Stimmung und trägt gemäss bester Marketingmanier zur Kundenbindung bei. 

In diesem Sinne: Hö. Hö. Hö.