Globale Grosskunden fordern immer mehr für immer weniger Honorar. Wie ist diese Entwicklung aufzuhalten? Ein paar Tipps für Agenturen und Kreative.
2023
Sie wollen am Pitch teilnehmen? Gerne – unterzeichnen Sie doch einfach die Pitch- Konditionen. Ihre Mitarbeitenden werden Nächte durcharbeiten, um im Erfolgsfall ein paar Tausend Franken für das Konzept abzurechnen. Die Nutzungsrechte sind automatisch abgetreten und Rechnungen dürfen Sie mit 180 Tagen Zahlungsziel ausstellen. Das wurde in den nicht verhandelbaren Konditionen bereits vereinbart. Die Umsetzung wollen Sie auch machen? Sie dürfen gerne die Pitch-Konditionen unterzeichnen...
Ressourcen dort einsetzen, wo der Mehrwert ist
Kommt Ihnen das bekannt vor? Es ist leider wahr, dass die Zusammenarbeit zwischen den Werbeauftraggebenden und den Werbeagenturen immer einseitiger und projektgetriebener wird. Agenturen können dabei immer schlechter planen und müssten die nicht verrechenbare Zeit der Mitarbeitenden eigentlich über höhere Stundensätze kompensieren. Der Konkurrenzdruck schreibt aber immer tiefere Preise vor. Die finanziell fatale Schere zwischen schlechterer Verrechenbarkeit und tieferen Stundenansätzen können Agenturen nur mit tieferen Löhnen beziehungsweise weniger Seniorität ausbalancieren. Natürlich wäre es möglich, in einem Projekt diverse Tätigkeiten auch von jüngeren und unerfahrenen Mitarbeitenden erledigen zu lassen. Aber man kann Seniorität nicht reduzieren, ohne dabei Qualität zu verlieren. Leider interessiert Qualität auch immer weniger. Ein über Social Media ausgespieltes Bild muss schnell erstellt sein und darf praktisch nichts kosten. Vermehrt müssen wir uns mit Near- oder Offshoring-Modellen organisieren. In Rumänien wird die Bildbearbeitung erledigt, die dort bezahlten Löhne erlauben es uns, konkurrenzfähig zu bleiben. Die Programmierung wird in Indien gemacht. Aber das reicht auch nicht mehr – heute tendiert der geforderte Preis gegen null, also ist Automatisierung der einzige Ausweg. Dieser Trend ist vor allem bei grossen, internationalen Kunden zu beobachten. Ich darf neben meinen Aufgaben als CFO der Schweizer Publicis Groupe auch die finanziellen Belange zweier globaler Kunden verantworten und war darüber hinaus oft in internationale Pitches auf Konzernebene involviert. Unsere Aufgabe bestand häufig darin, durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz die Analyse verschiedenster Datenquellen (Media, Websites, CRM, Social Media) durch die Werbemittelentwicklung und -produktion und die Medienausspielung zu automatisieren und sie auf diese Weise effizienter zu machen. Damit können bei grossen Accounts mehrstellige Millionenbeträge eingespart werden. Allerdings muss dazu erst in die Datenstruktur und Automatisierung investiert werden. Diese Vorleistung wird trotz den zu erwartenden beziehungsweise garantierten Einsparungen von globalen Einkaufsabteilungen als Gratisleistung gefordert. Düstere Aussichten für unsere Branche? Nun, das geschilderte Szenario ist sicherlich keine Modeerscheinung, die bald wieder verschwindet. Deshalb müssen wir uns umorganisieren und die karg gewordenen finanziellen Ressourcen dort einsetzen, wo sie am meisten Mehrwert bieten. In der Konzeptphase, bei der Plattformidee – dort, wo die Kreativität den Unterschied macht und der Marke ein Alleinstellungsmerkmal verpasst, ist unsere Leistung gefragt. Oder in der Analyse der Customer Journey, bei der Identifizierung der Touchpoints und bei der entsprechenden Entwicklung der richtigen Stimuli. Weniger sinnvoll ist das Festhalten an automatisierbaren Jobs. Bildbearbeitung, Projektmanagement und teilweise bereits auch Art Direction fallen bestenfalls noch unter Convenience. Es handelt sich um austauschbare Fähigkeiten, die zunehmend von KI übernommen werden. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht mehr abliefern, als der Kunde zu bezahlen bereit ist. Sonst heizen wir die Negativspirale der geringen Wertschätzung unserer Arbeit nur weiter an. Den Fokus auf die Qualität der Arbeit zu legen, während finanzielle Rahmenbedingungen ausser Acht gelassen werden, sehe ich naturgemäss vor allem bei Kreativen. Das gilt auch fürs Private. Wenn sich Kreative nicht mit dem Thema beschäftigen, geht das gegen Ende der Karriere oftmals schlecht aus. Darum ein Appell an meine Kreativkollegen und -kolleginnen: Beschäftigt euch mit Vorsorge. Stellt euch einfach vor, ihr bekämt am Freitagabend ein Kundenbriefing. Ihr sollt die Vorteile des Schweizer Vorsorgeund Steuersystems bewerben. Schulterblick mit dem Kunden ist am Montagvormittag.
Ein paar Gratistipps von mir:
Setzt euch mit eurem Pensionskassenausweis auseinander. Sollte die ausgewiesene Pension nicht zum Überleben reichen, überlegt euch eine Strategie, um Deckungslücken zu schliessen. Nutzt die Möglichkeit, jedes Jahr zusätzlich in die Pensionskasse einzuzahlen, und richtet einen Dauerauftrag für eine monatliche Überweisung auf ein Dritte-Säule-Konto (3a) ein. Eröffnet regelmässig neue 3a-Konten, damit diese dann «gestaffelt», also in verschiedenen Jahren bezogen werden können, womit auch wieder der Bezug steuerschonend ist. Grundsätzlich ist es auch empfehlenswert, monatlich per Dauerauftrag einen Grossteil des zur Verfügung stehenden Gehalts auf ein Sparkonto zu überweisen. Diese Art zu sparen könnt ihr ebenfalls auf mehrere Konten verteilen – für Steuern, die jährliche Pensionskassenzahlung und für den nächsten Urlaub. Alle angesparten Beträge solltet ihr so breit gefächert wie nur möglich anlegen. Verlockende kurzfristige Renditen bergen immer ein hohes Risiko. Wer hingegen langfristig denkt, kann nach und nach zusehen, wie die finanzielle Sicherheit wächst. Lasst euch vom Thema Volatilität nicht verrückt machen. Verkauft jemand beispielsweise eine Aktie, die gerade unter Einkaufswert notiert, dann realisiert er oder sie diesen Verlust. Langfristig entwickeln sich Anteile zukunftsorientierter Unternehmen eher nach oben. Aber investiert nicht nur in Aktien. In Bezug auf Fremdwährungen sei gesagt, dass interessante Investments in anderen Ländern der Vielfalt des Portfolios nicht schaden. Nur hilft die beste Performance dieses Investments nichts, wenn der Wechselkurs einbricht. Ihr lebt in der Schweiz und werdet später den Grossteil der laufenden Kosten in Franken bestreiten. Deshalb sollte auch der Löwenanteil der Ersparnisse in Franken angelegt werden.
Edgar Magyar begann seine Karriere in der Steuer- und Unternehmungsberatung. Seit 2011 ist er CFO der Publicis Groupe Schweiz. 2014 übernahm er in dieser Position auch die Finanzkoordination des globalen Kunden UBS und 2021 die Finanzkoordination eines weiteren Netzwerkkunden, der Stellantis-Gruppe.