Der Mann hat Humor, Talent und Durchhaltevermögen: Seit 25 Jahren ist Conny Dachs Pornodarsteller. Vorurteile bringt er lässig zu Fall – die Branche sei ein Vorbild für Gleichberechtigung, erzählt er.
2023
«Eine Anzeige hat mein Leben verändert. Der Robinson-Club warb in der Zeitschrift ‹Surf› mit: ‹Arbeiten, wo andere Urlaub machen›. Ich wurde Animateur und von der Partnerin eines Erotikproduzenten bei der abendlichen Bühnenshow ‹entdeckt›. Sie drückte mir ihre Visitenkarte in die Hand und ich sprang ins kalte Wasser, indem ich 1995 meinen ersten Porno drehte. Conny Dachs, mein Pseudonym, war geboren. An jeden Dreh bringe ich eine Prise Humor, eine gewisse Bauernschläue und Leichtigkeit mit. Schlechte Stimmung oder Misstöne haben dort nichts zu suchen, darum versuche ich, wenn es mal nicht so optimal läuft, die Comedykarte zu ziehen und zu einem besseren Betriebsklima beizutragen. Wir machen aus einem Job kein persönliches Ding, es geht nicht um unsere Lüste und Begehrlichkeiten. Darum ist Professionalität so wichtig: Wir sind Schauspieler:innen und kommen nicht an das Set, um Orgien zu feiern. Geht es mal härter zur Sache, ist es umso wesentlicher, dass die Beteiligten genau wissen, was sie tun. Viele Dominas sind gut ausgebildet und haben medizinische Kenntnisse, sodass der Person, die sich unterwirft, eigentlich nichts passieren kann. Natürlich hat sich meine Reizschwelle mit den Jahren hochgeschraubt. Aber das ist weniger den Pornos geschuldet. Ich glaube, bei jedem Mann liegt sie aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen mit fünfzig höher als mit zwanzig. Es ist wichtig, Grenzen zu setzen. So habe ich mir das Herzblut für Sex und den Job erhalten. Wer alles mitmacht und wie am Fliessband dreht, ist schnell satt und abgelöscht. Dann kommt die Darstellung überhaupt nicht mehr glaubwürdig rüber. Warum ich mich so lange in der Branche halte, lässt sich wahrscheinlich auf einen Mix aus mehreren Dingen zurückführen. Natürlich achte ich auf meinen Körper und mein Alter Ego ist eher zeitlos angelegt. Aber wahrscheinlich könnte man mich auch mit Glatze und Bierbauch inszenieren. Für Frauen ist es deutlich schwieriger, längerfristig gefragt zu bleiben. Das Verlangen der Konsumierenden nach ‹Frischfleisch› ist seit Jahrzehnten unverändert. Inklusive Sprache oder die Feminismusoffensive ändert diesbezüglich in den Köpfen der Menschen nicht merklich etwas. Wir Profis in der Branche gehen tatsächlich sehr gleichberechtigt miteinander um. In Sachen Gender-Pay-Gap sieht es so aus, dass jeder und jede das Honorar selbst aushandelt. Aber wer sich zuerst nach der Kohle erkundigt, der- oder diejenige ist sowieso fehl am Platz und wird wegen mangelnder Leidenschaft auch nicht erfolgreich werden. Manche ehemaligen, weiblichen Sexstars haben sich weiterentwickelt: Gina Wild kennt das Publikum heute als Schauspielerin Michaela Schaffrath, Dolly Buster wird als It-Girl für Parties gebucht. Ich sehe mich als Performancekünstler, spiele Theater, auch am Schauspielhaus in Zürich, bin als Sänger mit eigenen Songs unterwegs, bin für renommierte Regisseure wie Lars von Trier (‹Nymphomaniac›, Anm. d. Red.) oder Christoph Schlingensief (‹100 Jahre Adolf Hitler – die letzte Stunde im Führerbunker›, Anm. d. Red.) vor der Kamera gestanden. Wie jeder Film verkauft der Porno Illusionen. Würde man brühwarm zeigen, wie es hinter den Kulissen abläuft, wäre der Schein dahin und das Interesse würde definitiv sinken. Alles zu offenbaren, wäre der Tod der Erotik. Der Konsum muss trotz des Überangebots noch etwas Verruchtes, Verbotenes, Anrüchiges haben. Etwas muss unerklärbar bleiben. Sonst verkommt der Porno zum Kasperletheater. Das sieht man an manchen Erotiksternchen, die dann im Trash-TV in Talkrunden von ihren Erfahrungen erzählen. In dem Vierteljahrhundert, das ich jetzt schon Teil dieser Branche bin, habe ich viele Trends kommen und gehen sehen. Diese Strömungen waren in der Regel nur Momentaufnahmen, weil es beim Porno ohnehin alles gab und gibt. Die aktuelle Body-Positivity und Sex-Positivity ist für mich also nichts Neues. Kürzlich habe ich mich mit einem Produzenten für Sexpuppen unterhalten. Am meisten gefragt sind keine Modelkörper, sondern ‹die Frau von nebenan›. Und jegliche Fantasie wird bedient. Ich glaube, Männer schauen auch gern Frauen mit Makeln beim Sex zu, weil sie selbst nicht makellos sind. Früher ging Ü30 oder Ü40 gar nicht. Heute ist fünfzig das neue dreissig und es werden Darstellende aller Altersklasse gebraucht. Freude und Spass sollten der Antrieb für die Arbeit sein, zugleich aber auch ein professioneller Anspruch. Und für das Publikum sei gesagt: Nichts kann die eigene Fantasie toppen. Das ist wie bei einem Buch, das man gelesen hat und das verfilmt wird. Nachdem man den Film gesehen hat, ist man oft enttäuscht, weil die eigene Vorstellung grossartiger war.»